Verletzung von Urheberrechten am Arbeitsplatz als Grund einer fristlosen Kündigung
In seinem Urteil vom 16.7.2015, Az. 2 AZR 85/15, beschäftigt sich das Bundesarbeitsgericht mit der Rechtmäßigkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen unerlaubter Herstellung digitaler Kopien am Arbeitsplatz.
Der Sachverhalt: Verletzung von Urheberrechten am Arbeitsplatz
Der Arbeitnehmer war bei dem beklagten Land als Justizangestellter, zuletzt in der Funktion eines „IT-Verantwortlichen“ beschäftigt und unter anderem für die Bestellung des Zubehörs für den EDV-Raum – einschließlich DVDs und CDs – verantwortlich.
Eine Überprüfung seines Arbeitsbereichs ergab, dass in den Jahren 2008 bis 2012 2.325 DVDs und 1.500 CDs bestellt worden sind. Zu dienstlichen Zwecken wurden aber jährlich nur 150 bis 200 DVDs und etwa 50 CDs benötigt. Der Verbleib des restlichen Materials sei nicht aufzuklären.
Auf einer der Festplatten des Rechners, zu dem nur der Kläger einen Zugang hatte, wurden nach Wiederherstellung gelöschter Dateien 2.466 elektronische Bücher, 2.378 Bilddateien, 834 Audiodateien und 230 Videodateien gefunden. Auf dem Rechner waren vier Programme zum Umwandeln und Kopieren von DVDs und CDs installiert gewesen. Auf zwei weiteren externen Festplatten waren zusätzlich 41.242 Audiodateien, 1.822 Cover und 41 DVD-Kopien gefunden worden. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis.
Der Kläger wehrte sich im gerichtlichen Verfahren gegen die Kündigung mit den Argumenten, das Kopierprogramm und die installierte Software habe er nicht in dem zutage getretenen Umfang genutzt. Die gelegentliche Nutzung durch ihn stelle aber keine schwerwiegende Pflichtverletzung dar. Die im Dienst durchgeführten Kopiervorgänge hätten jeweils nur wenige Sekunden in Anspruch genommen. Sie hätten seine Arbeitszeit insgesamt nicht verkürzt. Jedenfalls habe er keine „illegalen Kopien“ gefertigt. Keiner der beanstandeten Brennvorgänge sei ihm persönlich zuzuordnen. Wer den Rechner wann genutzt habe, stehe nicht fest.
Das beklagte Land verteidigte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses damit, dass der Kläger den dienstlichen Rechner während der Arbeitszeit umfangreich und unerlaubt zu privaten Zwecken – dem Kopieren und Brennen von DVDs und CDs – genutzt habe. Durch das Herstellen der digitalen Kopien habe er sich überdies strafbar gemacht. Zudem habe er „Arbeitszeitbetrug“ begangen. 2.000 DVDs und über 1.000 CDs seien von ihm auf Kosten der Arbeitgeberin bestellt und privat verwendet worden. Das notwendige Vertrauen zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei unwiederbringlich zerstört.
Entscheidungsgründe: Verletzung von Urheberrechten am Arbeitsplatz
In seiner Entscheidung zeigt das Bundesarbeitsgericht die entscheidungserheblichen Grundsätze auf.
Der Arbeitgeber könne eine außerordentliche Kündigung aussprechen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Der Sachverhalt muss einen wichtigen Grund aufweisen. Nach dem Vorbringen des beklagten Landes komme eine Berechtigung zur fristlosen Kündigung unter mehreren Gesichtspunkten in Betracht. Vorrangig erhebt das Land den Vorwurf, der Kläger habe wiederholt unter Nutzung dienstlicher Ressourcen urheberrechtswidrig Musik- und Audiodateien vervielfältigt.
„Urheberrechtlich rechtswidrige Vervielfältigung unter Nutzung dienstlicher Ressourcen“
Ein solches Verhalten ist als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB „an sich“ geeignet, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Ein Arbeitgeber hat ein offenkundiges Interesse daran, dass dienstliche Rechner nicht dazu benutzt werden, Vervielfältigungen privat beschaffter Musik- oder Film-CDs/DVDs herzustellen. Das gilt losgelöst von einer möglichen Strafbarkeit der Vorgänge und unabhängig davon, ob die Handlungen während der Arbeitszeit vorgenommen wurden.
„Strafbarkeit der Kopier- und Brennvorgänge und Arbeitszeitbetrug“
Eine Strafbarkeit der Kopier- und Brennvorgänge oder ein damit einhergehender „Arbeitszeitbetrug“ wären allerdings geeignet, das Gewicht des Kündigungsgrundes noch zu verstärken. Dies wiederum kann für das Erfordernis einer Abmahnung und die weitere Interessenabwägung Bedeutung gewinnen.
Darüber hinaus kann die dem Kläger angelastete zweckwidrige Verwendung von CD- und/oder DVD-Rohlingen, die auf Kosten des beklagten Landes bestellt wurden, ein eigenständiger Kündigungsgrund sein.
Dabei müssen sämtliche „Verdachtsmomente“ gewürdigt und gewichtet werden.
„Notwendigkeit des Nachweises der Urheberrechtsverletzung“
Die Annahme der Arbeitgeber müsste eine strafbare Urheberrechtsverletzung oder ähnlich schwerwiegende Vertragspflichtverletzungen nachgewiesen, ist falsch. Die Tatsacheninstanzen müssen unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer ggf. durchgeführten Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung darüber befinden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr erachten oder nicht. Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein.
„Notwendigkeit der Einschaltung der Ermittlungsbehörden“
Dabei steht es dem Arbeitgeber frei, den Sachverhalt selbst zu ermitteln. Das mindert weder den Beweiswert der in Rede stehenden Indizien, noch ist die Kündigung deshalb unwirksam. Dem Arbeitgeber obliegt es nicht, sich polizeilicher oder staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen zu bedienen, auch wenn diese möglicherweise zu weitergehenden Ergebnissen geführt hätten.
„Fristeinhaltung bei außerordentlicher Kündigung“
Die außerordentliche Kündigung müsse in der Frist des § 626 Abs. 2 BGB, d.h. innerhalb von zwei Wochen erklärt werden.
Fristbeginn ist der Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Der Kündigungsberechtigte, der gewisse Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und dazu auch den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen und mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden. Für die übrigen Ermittlungen gilt keine Regelfrist. Bei ihnen ist fallbezogen zu beurteilen, ob sie hinreichend zügig betrieben wurden.
Kanzlei Swist – Anwalt Arbeitsrecht Düsseldorf
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Die vollständige Begründung der Entscheidung „Verletzung von Urheberrechten am Arbeitsplatz“ finden Sie unter:
https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/2-azr-85-15/?highlight=2+AZR+85%2F15
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