Verfall von Urlaubsansprüchen – Obliegenheiten des Arbeitgebers

Verfall von Urlaubsansprüchen

 

Wir alle freuen uns auf den Urlaub. Wegfahren, Entspannen oder Angelegenheiten erledigen, die schon lange anstehen. 

Zuweilen kommt es aber nicht zu Gewährung des ersehnten Urlaubs. Das kann viele Gründe haben, im Betrieb gibt es viel zu viel zu tun und ohnehin Personalmangel, der Arbeitnehmer will sich den Jahresurlaub aufsparen und zum Jahresende nehmen und das klappt nicht, der Jahresurlaub wird verweigert. 

Die unangenehme Nebenfolge ist, dass der Urlaub verfällt. Das heißt, bezahlte Freizeit für das abgelaufene Jahr kann nicht genommen werden und muss von dem Arbeitgeber auch nicht abgegolten werden. Im Einzelnen heißt es in § 7 Abs. 3 des Bundesurlaubsgesetzes: 

Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. 

 

Obliegenheiten bei der Urlaubsgewährung

 

In der Regel ist es so, dass der Arbeitnehmer den Urlaub für einen bestimmten Zeitraum beantragt und der Arbeitgeber diesen Zeitraum gewährt oder auch nicht. 

Bereits hier stellt sich eine Vielzahl von Fragen. Muss der Arbeitnehmer von sich aus tätig werden? Aus welchen Gründen darf der Arbeitgeber den begehrten Urlaub ablehnen? Muss der Arbeitgeber einen Alternativzeitraum benennen? Inwieweit darf der Arbeitgeber nur einen bestimmten Zeitraum als Urlaubszeit festlegen?

Aber muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer überhaupt darauf hinweisen, dass dem Arbeitnehmer ein Jahresurlaub zusteht oder darf er ihn einfach arbeiten lassen? Viele Arbeitnehmer wissen nicht, dass ihnen ein Urlaub zusteht. 

In seinem Urteil vom 19.02.2019, Az: 9 AZR 541/15 musste sich das Bundesarbeitsgericht genau mit dieser Frage auseinandersetzen. 

 

Sachverhalt: Verfall von Urlaubsansprüchen

Der Arbeitgeber beschäftigte den Arbeitnehmer vom 1. August 2001 bis zum 31. Dezember 2013 als Wissenschaftler.

Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Arbeitnehmer ohne Erfolg, den von ihm nicht genommenen Urlaub im Umfang von 51 Arbeitstagen aus den Jahren 2012 und 2013 mit einem Bruttobetrag iHv. 11.979,26 Euro abzugelten.

Einen Antrag auf Gewährung dieses Urlaubs hatte er während des Arbeitsverhältnisses nicht gestellt.

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers sei zwar zum Jahresende verfallen. Der Kläger habe aber Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub verlangen können, weil der Beklagte seiner Verpflichtung, ihm von sich aus rechtzeitig Urlaub zu gewähren, nicht nachgekommen sei. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei der Ersatzurlaubsanspruch abzugelten.

 

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts 

 

Die Revision des Arbeitgebers hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG sieht vor, dass Urlaub, der bis zum Jahresende nicht gewährt und genommen wird, verfällt.

 

Bisherige Rechtsprechung zum Verfallen des Urlaubs

 

Das galt nach bisheriger Rechtsprechung selbst für den Fall, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig, aber erfolglos aufgefordert hatte, ihm Urlaub zu gewähren.

Allerdings konnte der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz verlangen, der während des Arbeitsverhältnisses auf Gewährung von Ersatzurlaub und nach dessen Beendigung auf Abgeltung der nicht genommenen Urlaubstage gerichtet war.

 

Aktuelle Rechtssprechung: Initiativlast bei Verwirklichung des Urlaubs 

Diese Rechtsprechung hat der Senat weiterentwickelt und damit die Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund der Vorabentscheidung vom 6. November 2018 (- C-684/16 – [Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften]) umgesetzt.

Nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG ist es dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen.

Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts zwingt die Vorschrift den Arbeitgeber damit zwar nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Allerdings obliegt ihm unter Beachtung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitzeitrichtlinie) die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Arbeitgeber gehalten, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun“. Der Arbeitgeber hat klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nimmt.

Bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 7 BUrlG kann der Verfall von Urlaub daher in der Regel nur eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt.

Das Landesarbeitsgericht wird nach der Zurückverweisung der Sache aufzuklären haben, ob der Beklagte seinen Obliegenheiten nachgekommen ist.

 

Resümee 

 

Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub erlischt in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Wer also weiterarbeitet, obwohl er vom Arbeitgeber ordnungsgemäß belehrt worden ist, der verliert seinen Urlaubsanspruch dennoch. Falls sich der Arbeitgeber der Gewährung des Urlaubs entziehen möchte, indem er nicht ordnungsgemäß mitwirkt, kommt es nicht zum Verfall von Urlaubsansprüchen. 

 

Kanzlei Swist – Rechtsanwalt Arbeitsrecht Düsseldorf
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Quelle zum Fall „Verfall von Urlaubsansprüchen“ ist die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2019, Az.: 9/19, die Sie unter dem nachfolgenden Link finden:

 

https://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2019-2&nr=21968&pos=2&anz=6&titel=Verfall_von_Urlaubsanspr%FCchen_-_Obliegenheiten_des_Arbeitgebers

 

 

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