Ausschluss aus einer Social-Media-Plattform

 

Heute stellen wir Ihnen eine im Alltag sehr wichtige Entscheidung des Amtsgericht Kerpen (AG Kerpen, 102 C 297/16, vom 10.04.2017) vor, die sich mit dem Ausschluss aus einer Social-Media-Plattform beschäftigt.   

Hier: Ein sehr lesenwertes Urteil für alle, die auf Social-Media aktiv sind. Im Fordergrund steht die Frage, in welcher Frist ein Internet-Forennutzungsvertrag ordentlich gekündigt werden kann.

 

Sachverhalt: Ausschluss aus einer Social-Media-Plattform

 

Ein Nutzer eines Drohnen-Forums wurde teilweise gesperrt (keine Schreibrechte mehr, nur Lesezugriff), weil der Forenbetreiber ihm vorwarf, gewerblich/werblich für den Drohnenhersteller „Z“ tätig zu sein. Der Nutzer hatte über 900 Beiträge verfasst, u.a. ausführliche Posts über Z-Drohnen mit Fotos, die im Händlergeschäft mit Werbebannern im Hintergrund entstanden waren. Er betrieb zudem einen YouTube-Kanal mit Drohnenvideos und Hinweis auf „Unterstützung“ durch Z.

 

Entscheidung des Gerichts: Ausschluss aus einer Social-Media-Plattform

 

Der Klage hat das Gericht vollumfänglich stattgegeben:

  • Freischaltung des Accounts angeordnet!
  • Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten (179,27 €) plus Zinsen!

 

Zentrale rechtliche Bewertungen:

 

Zustandekommen eines Forennutzungsvertrags

 

Das Gericht entschied:

  • durch die Anmeldung im Forum entsteht ein wirksamer Vertrag (§§ 145 ff. BGB),
  • es war kein bloßes „Angebot zum Angebot“ (invitatio ad offerendum), sondern echtes Vertragsangebot des Betreibers,
  • Rechtsbindungswille liegt vor, weil:
    • Nutzungsbedingungen existieren,
    • diese bei Anmeldung akzeptiert werden müssen,
    • keine anonymen Beiträge möglich sind (Registrierung erforderlich),
    • keine manuelle Prüfung/Freigabe neuer Nutzer erfolgt.

 

Dauerschuldverhältnis mit Kündigungsschutz

 

Art des Vertrags:

  • Es handelt sich um ein Dauerschuldverhältnis (§ 314 BGB),
  • ständig neue Leistungs-, Neben- und Schutzpflichten,
  • auf Dauer angelegt (privates Postfach, Online-Identität).

 

Kündigungsfristen – Leitsatz des Urteils

 

  • ordentliche Kündigung: 6 Monate Frist (§ 624 S. 2 BGB analog),
  • Forennutzungsvertrag kommt Dienstvertrag am nächsten,
  • bei nicht typisierten Dauerschuldverhältnissen: Rückgriff auf typisierte Verträge.

 

Im vorliegenden Fall:

 

  • Kündigung erklärt: Oktober/November 2016,
  • Vertrag endet frühestens: Mai 2017,
  • daher bestand der Vertrag zum Zeitpunkt der Entscheidung (April 2017) noch fort.

Die fristlose Kündigung war unwirksam.

Der Betreiber kündigte außerordentlich fristlos (§ 314 BGB), aber:

Erforderlich wäre gewesen:

  • wichtiger Grund (z.B. Pflichtverletzung) und
  • erfolglose Abmahnung des Nutzers.

 

Das Gericht stellte fest:

 

  • eine Abmahnung erfolgte im Mai 2016 (Kontaktaufnahme + Teilsperrung),
  • diese war aber nicht erfolglos,
  • nach der Abmahnung kein weiteres vertragswidriges Verhalten,
  • YouTube-Aktivitäten sind kein Verstoß gegen den Forennutzungsvertrag
  • daher: Fristlose Kündigung rechtswidrig.

 

AGB-Klausel unwirksam (§ 307 BGB)

 

Die Nutzungsbedingungen enthielten:

„Die Administratoren und Moderatoren behalten sich das Recht vor, Benutzer jederzeit und ohne Angabe von Gründen zu löschen oder vorübergehend zu sperren.“

Gericht:

  • Diese Klausel verstößt gegen § 307, 308 Nr. 4 BGB (unangemessene Benachteiligung)
  • Sie erlaubt willkürliche Vertragsanpassung ohne Zumutbarkeitskontrolle
  • Unwirksam nach AGB-Recht

 

Virtuelles Hausrecht begrenzt durch Vertrag

 

Grundsätzlich:

  • Der Betreiber einer Internetseite hat virtuelles Hausrecht.
  • Er kann grundsätzlich bestimmen, wer Zugang erhält.

Aber:

  • Das virtuelle Hausrecht ist nicht grenzenlos.
  • Es wird überlagert durch vertragliche Beziehungen.
  • Nach Vertragsschluss ist Nutzer nicht mehr „beliebiger Dritter“.
  • § 241 Abs. 2 BGB (Rücksichtnahmepflicht) gilt.
  • Sperrung nicht mehr anlasslos möglich.
  • Bei Pflichtverletzung: Abmahnung erforderlich.

 

Teilsperrung rechtswidrig

 

Das Gericht entschied:

  • Der Betreiber hatte keine Berechtigung zur Teilsperrung
  • Weder aus AGB (unwirksam)
  • Noch aus virtuellem Hausrecht (durch Vertrag begrenzt)
  • Noch aus gesetzlichen Regelungen (§§ 320, 273 BGB nicht einschlägig)
Schadensersatz: Anwaltskosten
  • Betreiber setzte sich in Verzug (§ 280, 286 BGB).
  • Er erklärte „ernsthaft und endgültig“, weitere E-Mails nicht mehr zu beantworten.
  • Vorgerichtliche Anwaltskosten sind erstattungsfähig.

 

Kernaussagen des Urteils: Ausschluss aus einer Social-Media-Plattform

  • Forennutzungsverträge sind echte, rechtsverbindliche Verträge.
  • 6 Monate Kündigungsfrist bei ordentlicher Kündigung (analog § 624 S. 2 BGB)!
  • Fristlose Kündigung nur mit wichtigem Grund und nach erfolgloser Abmahnung!
  • „Jederzeit ohne Grund sperren“-Klauseln sind AGB-rechtlich unwirksam!
  • Virtuelles Hausrecht wird durch Vertragsschluss begrenzt – Betreiber kann nicht mehr willkürlich sperren!
  • Teilsperrungen (z.B. nur Leserecht) sind genauso zu behandeln wie Vollsperrungen!
  • Online-Identität hat Schutzwert – Nutzer investieren Zeit und Reputation.
  • Außervertragliche Aktivitäten (hier: YouTube) sind kein Kündigungsgrund für Forenvertrag.

 

Praktische Bedeutung: Ausschluss aus einer Social-Media-Plattform

 

Forenbetreiber sollten beachten:

  • sie können nicht mehr willkürlich Nutzer sperren,
  • müssen Kündigungsfristen beachten,
  • AGB müssen rechtlich sauber formuliert sein,
  • vor Sperrung: Abmahnung erforderlich.

Forennutzer sollten beachten:

  • sie haben echte vertragliche Rechte,
  • geschützt durch Kündigungsfristen,
  • können gegen unrechtmäßige Sperrungen vorgehen,
  • Anwaltskosten werden erstattet.

Für Social-Media-Plattformen gilt:

  • grundsätze übertragbar auf Facebook, Twitter, Instagram etc.,
  • verstärkt die Nutzerrechte gegenüber Plattformbetreibern,
  • willkürliche Account-Sperrungen problematisch.

102 C 297/16 – Amtsgericht Kerpen
Gericht: Amtsgericht Kerpen
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 102 C 297/16
ECLI:DE:AGBM3:2017:0410.102C297.16.00
Entscheidungsdatum: 10.04.2017

 

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Bildrecht: Ausschluss aus einer Social-Media-Plattform, Amtsgericht Kerpen, 102 C 297/16, vom 10.04.2017
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