Videoüberwachung am Reihenhaus
Heute stellen wir Ihnen eine im Alltag sehr wichtige Entscheidung des Amtsgericht Steinfurt (AG Steinfurt, 21 C 313/18, vom 25.09.2019) vor, die sich mit der Rechtmäßigkeit von Videoüberwachungen befasst.
Hier: Ein sehr lesenwertes Urteil für alle, die eine Videokamera aufstellen wollen, oder sich von einer Videokamera belästigt fühlen.
Sachverhalt: Videoüberwachung am Reihenhaus
Nachbarn in einer Reihenhausanlage stritten über drei Videoüberwachungskameras, die die Beklagten an ihrem Haus installiert hatten. Der Kläger fühlte sich dadurch überwacht, da die Kameras auch sein Grundstück, Zuwegungen und öffentliche Bereiche erfassen konnten.
Entscheidung des Gerichts: Videoüberwachung am Reihenhaus
- Hauptantrag (Entfernung der Kameras): Abgewiesen ✗
- Hilfsantrag (Unterlassung der Erfassung fremder Bereiche): Stattgegeben ✓
Die Beklagten müssen verhindern, dass ihre Kameras das Nachbargrundstück, Zuwegungen oder öffentliche Bereiche erfassen, sie müssen die Kameras aber nicht entfernen.
Technische Feststellungen des Sachverständigen:
Die drei Kameras konnten bei entsprechender Einstellung:
- den Eingangsbereich und Garten des Klägers erfassen,
- die Balkonkamera erfasste fast vollständig den hinteren Gartenbereich,
- dabei waren die Kameras leicht verstellbar (2 Minuten mit Werkzeug),
- und zum Zeitpunkt der Begutachtung waren sie korrekt eingestellt,
Rechtliche Bewertung:
1. Persönlichkeitsrechtsverletzung bejaht:
- Videoüberwachung greift in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)!
- Das gilt auch für potenzielle Erfassungsmöglichkeiten!
- Grundsatz (BGH): Weder öffentlicher Bereich noch Nachbargrundstücke dürfen erfasst werden.
2. Aber: Keine vollständige Beseitigung erforderlich:
Das Gericht führte eine Einzelfallabwägung durch.
Für den Kläger sprechen:
- tatsächliche Erfassungsmöglichkeit seines Grundstücks,
- leichte Verstellbarkeit der Kameras,
- eskalierender Nachbarschaftskonflikt,
- mehrere Schiedsverfahren bereits gelaufen.
Für die Beklagten sprechen:
- Grundrecht auf Selbstbestimmung über eigenes Grundstück,
- legitimes Interesse an Einbruchsschutz,
- Kameras waren zum Zeitpunkt der Prüfung korrekt eingestellt,
- Anerkennung des Unterlassungsanspruchs signalisiert guten Willen,
- öffentliche Hinweisschilder auf Videoüberwachung.
3. Verhältnismäßige Lösung:
Das Gericht entschied, dass mildere Mittel ausreichen:
- Äußere Sichtblenden/Gehäuse anbringen!
- Stellschrauben durchbohren oder zusätzlich verschrauben!
- Drehhalterungen unbrauchbar machen!
- Keine komplette Entfernung nötig.
4. „Überwachungsdruck“ verneint:
Der Kläger argumentierte mit subjektivem Überwachungsdruck. Das Gericht:
- erkannte an, dass ein Nachbarschaftskonflikt besteht,
- verwies aber auf BGH-Rechtsprechung: Kein Beseitigungsanspruch, wenn Kameras nur mit erheblichem, äußerlich wahrnehmbarem Aufwand verstellbar sind!
- Die angeordneten Sicherungsmaßnahmen erfüllen diese Anforderung.
- Die Höhe des Zwangsmittels (bis 250.000 € Ordnungsgeld) wirkr abschreckend.
Fazit: Videoüberwachung am Reihenhaus
Es bedarf einer Abwägung im Einzelfall, ob neben der Unterlassung der Erfassung des fremden Privatgrundstücks nebst Zuwegung und dem öffentlichen Bereich die Unterlassung jeglicher Videoüberwachung vom Grundstücksnachbarn verlangt werden kann.
Kernaussagen des Urteils:
Videoüberwachung des eigenen Grundstücks ist grundsätzlich zulässig.
Erfassung fremder Grundstücke/öffentlicher Bereiche ist unzulässig.
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten: Vollständige Beseitigung nur, wenn mildere Mittel nicht ausreichen!
Technische Sicherungen (Blenden, Verschraubungen) können ausreichend sein.
Auch bei Nachbarschaftskonflikten muss nicht sofort entfernt werden, wenn Missbrauch durch Zwangsmittel verhindert werden kann.
Einzelfallabwägung zwischen Sicherheitsbedürfnis und Persönlichkeitsschutz erforderlich.
Das Urteil zeigt einen ausgewogenen Mittelweg zwischen:
- Recht auf Videoüberwachung des eigenen Grundstücks,
- Schutz der Privatsphäre der Nachbarn,
- Vermeidung übermäßiger Eingriffe in Eigentumsrechte.
21 C 313/18 – Amtsgericht Steinfurt
Gericht: Amtsgericht Steinfurt
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 21 C 313/18
ECLI:DE:AGST1:2019:0925.21C313.18.00
Entscheidungsdatum: 25.09.2019
Normen: BGB §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB
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