Massenentlassung – Kündigung sofort nach Eingang der Massenentlassungsanzeige zulässig

Massenentlassung 

Immer, wenn der Arbeitgeber eine größere Anzahl von Arbeitnehmern zu entlassen beabsichtigt, muss er vorher die Bundesagentur für Arbeit über die geplante Maßnahme informieren. 

Bei einem Betrieb von 21 Arbeitnehmern sind 5 Arbeitnehmer eine größere Anzahl. Je nach Betriebsgröße ändert sich die konkrete Anzahl.

Problematisch ist, zu welchem Zeitpunkt gekündigt werden kann. Darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis bereits nach Ausspruch der Massenentlassungsanzeige kündigen? Muss er auf den Zugang der Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit zuwarten? Oder muss er der Bundesagentur einen weiteren Zeitraum gewähren, in dem sich die Bundesagentur für Arbeit auf die Masse der gekündigten Arbeitnehmer einstellen kann? 

In seiner Entscheidung vom 13.06.2019, Az.: 6 AZR 459/18 musste sich das Bundesarbeitsgericht mit genau diesem Sachverhalt beschäftigen. 

 

Sachverhalt: Massenentlassungsanzeige

 

Mit Beschluss vom 1.06.2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin, der früheren Arbeitgeberin, eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Die vom Insolvenzverwalter verfasste Massenentlassungsanzeige ging am 26.06.2017 zusammen mit einem beigefügten Interessenausgleich bei der Agentur für Arbeit ein.

Mit Schreiben vom 26. Juni 2017 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ebenso wie die Arbeitsverhältnisse der anderen 44 zu diesem Zeitpunkt noch beschäftigten Arbeitnehmer ordentlich betriebsbedingt zum 30. September 2017.

Das Kündigungsschreiben ging dem Arbeitnehmer am 27. Juni 2017 zu. Dieser macht mit seiner Kündigungsschutzklage ua. geltend, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) habe der Arbeitgeber auch seiner Anzeigepflicht vor einer Entscheidung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses nachzukommen. Darum dürfe die Unterschrift unter das Kündigungsschreiben, mit der die Kündigungserklärung konstitutiv geschaffen werde, erst erfolgen, nachdem die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit eingegangen sei.

Das Landesarbeitsgericht ist dem gefolgt und hat der Berufung des Arbeitnehmers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts stattgegeben. Die Anzeige müsse die Agentur für Arbeit erreichen, bevor der Arbeitgeber die Kündigungsentscheidung treffe, was sich in der Unterzeichnung des Kündigungsschreibens manifestiere.

 

Entscheidung: Massenentlassungsanzeige

 

Die Revision des Insolvenzverwalters hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

Das selbstständig neben dem nach § 17 Abs. 2 KSchG durchzuführenden Konsultationsverfahren stehende, in § 17 Abs. 1, Abs. 3 Sätze 2 bis 5 KSchG geregelte Anzeigeverfahren dient beschäftigungspolitischen Zwecken. Die Agentur für Arbeit soll rechtzeitig über eine bevorstehende Massenentlassung unterrichtet werden, um sich auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorbereiten und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können. Das setzt voraus, dass bereits feststeht, wie viele und welche Arbeitnehmer konkret entlassen werden sollen. Auf den Willensentschluss des Arbeitgebers zur Kündigung kann, soll und will die Agentur für Arbeit – anders als der Betriebsrat im Rahmen des Konsultationsverfahrens – keinen Einfluss nehmen.

Die Kündigung darf allerdings erst dann erfolgen, dh. dem Arbeitnehmer zugehen (§ 130 Abs. 1 BGB), wenn die Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingegangen ist. Dies ist durch die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 3 und Art. 4 der Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie) geklärt, so dass der Senat von einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV abgesehen hat.

Der Senat konnte anhand der bisher getroffenen Feststellungen die Wirksamkeit der Kündigung nicht abschließend beurteilen. Das Landesarbeitsgericht wird aufzuklären haben, ob die Massenentlassungsanzeige inhaltlich den Vorgaben des § 17 Abs. 3 KSchG genügte und ob das Anhörungsverfahren gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ordnungsgemäß eingeleitet wurde.

 

Ergebnis: Massenentlassungsanzeige

 

Die nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige kann auch dann wirksam erstattet werden, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt ihres Eingangs bei der Agentur für Arbeit bereits zur Kündigung entschlossen ist. Kündigungen im Massenentlassungsverfahren sind daher – vorbehaltlich der Erfüllung sonstiger Kündigungsvoraussetzungen – wirksam, wenn die Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingeht, bevor dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben zugegangen ist.

 

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Quelle zum Fall „Massenentlassungsanzeige“ ist die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.06.2019, Az.: 25/19, die Sie unter dem nachfolgenden Link finden:

 

https://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=pm&Datum=2019-6&nr=22570&pos=2&anz=3&titel=Massenentlassung_-_K%FCndigung_sofort_nach_Eingang_der_Massenentlassungsanzeige_zul%E4ssig

 

Massenentlassungsanzeige

 

 

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Massenentlassungsanzeige – Kündigung sofort nach Eingang der Massenentlassungsanzeige zulässig
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